Wer die Kosten im Marketing senken aber gleichzeitig die Marktwirkung erhöhen will, muss die Schwächen seiner Marke analysieren und sie mit Hilfe maßgeschneiderter Aktivitäten beheben. So kann die Marketing-Effizienz erhöht werden. Siemens Mobile konnte auf diese Weise seine Marktanteile deutlich steigern.
Die Fakten sind hinreichend bekannt, bei der Bewertung ihrer ökonomischen Wirkung herrscht jedoch vielfach Uneinigkeit: Die Werbeausgaben haben in den vergangenen Jahren kräftig zugelegt. Allein zwischen 1990 und 2000 nahm der Gesamtaufwand für klassische Werbung um 65% zu. Wesentlichen Anteil daran hatte die Deregulierung einst staatlich geprägter Industrien. Darüber hinaus entdeckten die Unternehmen neue Werbekanäle. Die Ausgaben für Event-Sponsoring und auch Direktmarketing stiegen erheblich. In Summe verdoppelte sich bei vielen Unternehmen der Gesamtaufwand, bei einigen nahm er sogar um den Faktor drei zu.
Werbebudget gerät ins Blickfeld der Vorstände
Das Werbebudget vieler Unternehmen erreichte damit einen so hohen Anteil an den Gesamtkosten oder -investitionen, dass es zwangsläufig ins Blickfeld der Vorstände geriet. Gleichzeitig ist in vielen Branchen die Werbe- und Markeneuphorie gewichen. Die reduzierte Kundennachfrage des vergangenen Jahres führte vielfach zu Ernüchterung sowie einer immer skeptischeren Betrachtung von Marketingaktivitäten und der Höhe des Budgets. Zwar mussten die Unternehmen einräumen, dass aufwändige Kampagnen die Bekanntheit ihrer Marke deutlich gesteigert haben. Zum Beispiel kommen gerade markenbegleitende Events wie das Sponsoring in der Formel 1 oder von Ausstellungen bzw. Konzerten bei den Konsumenten gut an. Andererseits zwangen stagnierende Umsatz- bzw. Marktanteile die Unternehmen zum Handeln. Ein positives Image scheint allein nicht auszureichen. Viel wichtiger ist, dass die potenziellen Kunden vom Nutzen der Produkte eines Unternehmens überzeugt und damit bereit sind, diese tatsächlich auch zu kaufen.
Die Unternehmen zogen ihre Konsequenzen und suchten nach Kürzungsmöglichkeiten im Marketing. Pauschale Kürzungen schienen hier besonders naheliegend, lässt sich das Ergebnis auf diese Weise doch leicht steigern.
Aktionismus vergrössert das Problem
Natürlich haben die Unternehmen stets das Ziel nicht nur die Kosten zu senken, sondern gleichzeitig auch die Marktwirkung zu erhöhen. Häufig kommen jedoch nur pauschale Kürzungen des Marketingbudgets heraus, die langfristig die Umsatz-probleme eines Unternehmens weiter verschärfen können.
Denn Marketinginstrumente unterliegen Wirkmechanismen, die blinden Aktionismus nicht ungestraft zulassen. So ist zum Beispiel die Wirkung der TV-Werbung entlang einer S-Kurve empirisch nachgewiesen.
Demnach wird eine Kampagne unter einem Schwellenwert von etwa 5 Mio. EUR bundesweit kaum wahrgenommen und fördert die Markenbekanntheit somit nicht.
Bei Ausgaben zwischen 5 und 10 Mio. EUR erhöht sich – je nach Qualität der Kampagne – die Markenbekanntheit deutlich. Jenseits einer Ausgabenhöhe von etwa 20 bis 30 Mio. EUR p.a. schaffen auch Mehrausgaben nur noch wenig zusätzlichen Nutzen.
Akzeptieren wir diese Gesetzmäßigkeiten, dürfte sich eine Kürzung des TV-Budgets von etwa 50 auf 40 Mio. EUR nicht negativ auf eine Marke auswirken. Eine Kürzung ebenfalls um 20%, aber bei einem Budget von lediglich 7 Mio. EUR, könnte dagegen zu einem solch extremen Wirkungsverlust führen, dass eine komplette Streichung des Budgets sinnvoller wäre. So wie für die TV-Werbung gibt es für andere Marketinginstrumente ähnliche, individuell aber sehr unterschiedliche Wirkmechanismen, die auch von Art und Umfang der Zielgruppe abhängen.
Aktionismus hilft nicht
Eine andere Form des Aktionismus besteht in der Umwidmung des Werbebudgets. Statt die Mittel dazu zu nutzen, die Markenbekanntheit zu steigern, werden sie eingesetzt, um Kunden über Preisaktionen zu informieren. Zwar hoffen die Unternehmen, dass sich so der Umsatz kurzfristig ankurbeln lässt. Doch auch dieses Vorgehen ist äußerst problematisch, da hierdurch in der Regel das Markenbild geschwächt wird. Zur Verdeutlichung: Eine Marke, die bisher mit einem deutlichen Nutzenversprechen aufgetreten ist und damit die Vorstellung eines bestimmten Preis-Wert-Verhältnisses beim Verbraucher erzeugt hat, wird durch Preisaktionen kurzfristig zwar häufiger verkauft. Die Preisaktion verändert aber auch die Preis-Wert-Vorstellung beim Verbraucher. Statt zum Normalpreis zu kaufen, warten die Verbraucher nun auf eine erneute Preisaktion. Mittelfristig wird so die Marke erheblich geschwächt und ihre Profitabilität unterhöhlt.
Welche Möglichkeiten bleiben den Unternehmen also, wollen sie ihre Marketingausgaben nicht pauschal kürzen und trotzdem dem stagnierenden Umsatz und Ergebnis entgegenwirken? Beispielsweise können sie neue Schwerpunkte in ihrer Marketingstrategie setzen: Das Unternehmen wendet seine Instrumente gezielt dort an, wo das Potenzial der Marke bisher noch nicht vollständig ausgeschöpft ist. So lässt sich nicht nur der Umsatz erhöhen, häufig kann durch die bessere Wirkung der Maßnahmen auch der Umfang des Budgets reduziert werden – ohne unerwünschte Nebenwirkungen. Die Voraussetzung für den Erfolg einer solchen Strategie ist allerdings, dass Stärken und Schwächen der Marke genau bekannt sind.
Marketinginstrumente einzeln betrachten
Wenn man wirklich die Kosten senken und gleichzeitig die Marktwirkung erhöhen möchte, muss man verstehen wie stark die Wirkung einzelner Marketinginstrument ist. Das lässt sich aber nicht immer vollständig quantitativ erfassen. Allerdings reicht in vielen Fällen die empirische Basis aus, um den quantitativen Aufwand für den Einsatz einzelner Marketinginstrumente abzuleiten und dessen Beitrag zum Ausbau der Markenstärke zu beschreiben. Auf diese Weise lassen sich „bottom-up“, d.h. für jede einzelne Stufe des Funnel, die erforderlichen Aufwendungen zur Erreichung vorgegebener Markenziele bewerten.
In die Praxis umgesetzt bedeutet dies, dass die Schwerpunkte innerhalb des gesamten Werbeetats neu bestimmt werden. Dadurch erhöht sich die Wirkung der einzelnen Maßnahmen, während sich das Budget um durchschnittlich 15 bis 25% reduzieren lässt. Anhand des Branding Funnel ist es so möglich, den Einsatz von Marketinginstrumenten auch analytisch zu untermauern.
Siemens Mobile – Effizienzsteigerung in stagnierenden Märkten durch grössere Flexibilität
Das Beispiel Siemens Mobile zeigt, wie sich Umsatz und Marktanteil mit Hilfe einer Branding-Funnel-Analyse steigern lassen. Nachdem die Mobiltelefon-anbieter Ende der 90er Jahre steile Zuwachsraten verbuchen konnten, waren im vergangenen Jahr die Wachstumsgrenzen im Markt erreicht. Während einige Anbieter – wie Philips oder Alcatel – angesichts der stagnierenden Nachfrage darüber nachdenken, sich ganz aus dem Mobiltelefonmarkt zurückzuziehen, suchen andere nach Rationalisierungsmöglichkeiten.
Kosten zu senken und gleichzeitig die Marktwirkung zu erhöhen bedeutet per se eine Effizienzsteigerung. Das jährliche Werbebudget von mehreren hundert Millionen Euro sollte die größtmögliche Wirkung erzielen. Siemens untersuchte seine Marke anhand des Branding Funnel und konzentrierte sich dabei im ersten Schritt auf die fünf Kernländer Europas (Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und Großbritannien). Das Ergebnis: Während der Bekanntheitsgrad der Marke Siemens in allen Ländern bereits relativ hoch ist, ergaben sich Schwachstellen bei der Bekanntheit der einzelnen Produkte und beim Image der Marke. Das größte Verbesserungspotenzial jedoch zeigte sich in den Bereichen „engere Auswahl“ und „Kauf“. Diese beiden Bereiche standen zunächst im Mittelpunkt der Untersuchung. Die Marketing-Verantwortlichen identifizierten im nächsten Schritt die Treiber für die Kaufentscheidung:
- Produktverfügbarkeit
- Produktsichtbarkeit
- Konkrete Kaufempfehlung
Weitere Untersuchungen am Point of Sale zeigten, dass beispielsweise ein Teil des Siemens-Sortiments trotz Zentrallistung nicht flächendeckend verfügbar bzw. für die Kunden nicht sichtbar ausgestellt war. Darüber hinaus gab das Verkaufspersonal nur unzureichende Empfehlungen für den Kauf von Siemens-Handys.
Die Ergebnisse der Untersuchung veranlassten Siemens Mobile, das Marketingbudget 2001/02 radikal zu restrukturieren. Dabei kam dem Unternehmen der hohe Bekanntheitsgrad seiner Marke zugute. Siemens Mobile reduzierte deutlich die Ausgaben für klassische Werbung und startete eine groß angelegte, europaweite POS-Kampagne. Dabei wurde darauf geachtet, für jedes Problem – sei es Verfügbarkeit, Sichtbarkeit oder Kaufempfehlung – individuell angepasste Maßnahmen zu entwickeln.
Siemens Mobile war es aber auch wichtig, alternative Strategien zu entwickeln: Wurde im vergangenen Jahr das Budget neu ausgerichtet, um den Abverkauf zu steigern, so konzentriert sich Siemens Mobile für das kommende Jahr darauf, das noch vorhandene Potenzial bei Produktbekanntheit und Markenimage voll auszuschöpfen. Dabei setzt das Unternehmen verstärkt auf klassische Werbung. Für diesen Ansatz spricht unter anderem, dass sich aus Kundensicht die Produkte unterschiedlicher Mobiltelefonanbieter heute kaum noch durch technische Besonderheiten unterscheiden. Der emotionale Nutzen eines Produkts wird damit immer wichtiger. Fast wie ein klassischer Konsumgüterhersteller, will Siemens Mobile in Zukunft stärker in seine Marke als in Forschung und Entwicklung investieren. Auf diese Weise soll das Image gestärkt und die Marke Siemens Mobile flächendeckend aktualisiert werden. Die positive Veränderung im Auftritt des Unternehmens wird sich nicht nur auf den Bereich Mobile Phones auswirken, sondern auch den übrigen Geschäftsfeldern des Konzerns zugute kommen.
Fazit
Grundsätzlich hat die Effektivitätsanalyse der Marketingausgaben Siemens Mobile nicht nur dabei geholfen, die Mechanismen, die auf eine Marke wirken, besser zu verstehen. Vor allem führte sie dazu, dass Maßnahmen eingeleitet wurden, die sich auf den Marktauftritt konzentrierten und dadurch die Marke auch in Zeiten knapper Budgets gestärkt haben. Während andere Unternehmen weiterhin ihr Budget unreflektiert auf bestehende Aktivitäten verteilen, setzte Siemens Mobile seine Werbeaufwendungen dort ein, wo sie die größte Wirkung zeigen. So konnte der Grundstein gelegt werden für ein auf lange Sicht und Wirkung ausgerichtetes Marketing-Investitionsverhalten.
Diesen Artikel habe ich gemeinsam mit Jens-Thomas Pietralla geschrieben. Er wurde erstmalig in der Zeitschrift „Absatzwirtschaft“ im Jahr 2002 veröffentlicht.
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